Nördlich von Vancouver: Whistler & Squamish

Nach knapp 3 Wochen in Vancouver haben wir beschlossen, die Stadt für einen Tagesausflug zu verlassen. Die Winter in und um Vancouver sind zwar mild, dafür aber auch ziemlich verregnet. Schnee gibt es hier so gut wie nie und nach unserer ersten Zeit des Ankommens und Erkundens hatten wir vom ständigen Regen ziemlich die Schnauze voll. Daher haben wir beschlossen, Vancouver für ein paar Tage Richtung Norden zu verlassen – zum einen, um in den Bergen Regen gegen Schnee einzutauschen, zum anderen um zu testen, wie sich Elliott so auf Langstrecken und Highway-Fahrten macht. Für den Stadtverkehr ist das gute Stück nämlich nichts. Da sie sowieso schon einen Benzinverbrauch von 25 Litern auf 100 km hat, frisst sie im Stadtverkehr, wie ihr euch vorstellen könnt, einfach noch mehr. Zudem macht es mit der häufig undurchdachten Verkehrsführung in Vancouver keinen Spaß, in der Stadt zu fahren – es gibt weder Linksabbiege-Spuren noch so etwas wie eine grüne Welle. Außerdem (und das war der eigentliche Hauptgrund) hatte Chrissi Geburtstag und das sollte natürlich angemessen gefeiert werden.

Also raus aus der Stadt, vom Trans-Canada-Highway auf die 99 und Richtung Whistler. Die 99 schlängelt sich als „Sea to Sky Highway“ als gewundene Küstenstraße zwischen den Städten Vancouver und Lillooet an zerklüfteten Felsen entlang und verbindet mehrere Ortschaften. Entlang der Route bis nach Whistler (circa 110 km) gibt es schöne Stopps mit atemberaubender Aussicht – zumindest laut unserem Reiseführer, denn natürlich regnete es auch an diesem Tag wieder wie aus Eimern, sodass wir die Inseln Bowen, Gambier und Anvil Island durch die Nebelschwaben über den Ausläufern des Pazifiks nur erahnen konnten. Kurz vor Whistler wechselte sich der Regen dann zumindest ab in Schnee und als wir in dem kleinen Örtchen ankamen, war alles zuckerweiß und zum ersten Mal hatte ich wieder dieses richtige Wintergefühl, was einen überkommt, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen und man beim Laufen das wattige Knirschen des Schnees hört. 

Der kleine Ort Whistler hat seinen Namen von den hier lebenden Murmeltieren, die wie Luftballons pfeifen, aus denen die Luft ausströmt. 2010 war es ein Austragungsort der Olympischen Winterspiele und ist heute ein Mekka für Snowboard- und Skifahrer nicht nur aus Vancouver und Umgebung, sondern aus ganz Kanada – das Skigebiet Whistler Blackcomb ist nämlich das größte des ganzen Landes. Da man in Whistler nirgends frei parken kann, stellten wir uns etwas abseits von Skipiste und Upper Village in ein nahes Wohngebiet. Wir hatten vor, eine Wanderung zum Lost Lake zu machen, ein abseits gelegener See, den man in einer vierstündigen Wanderung herrlich umrunden kann. Zunächst mussten wir jedoch erstmal über einen zugefrorenen Bach einige Kilometer durch den Wald Richtung Skipiste laufen, an der der Wanderweg zum See losgehen sollte. Wir waren die einzigen auf dem Weg und bald sah man in dem knöcheltiefen Schnee keine anderen Fußspuren mehr als unsere. Mitten im Wald hatte ich auf einmal richtig Schiss, einem Bären zu begegnen – denn worauf die meisten Kanada-Besucher hoffen, löst in mir Angstzustände und Vorstellungen von einem äußerst schmerzhaften und blutigen Tod in freier Wildbahn hervor. Chrissi nervt das natürlich tierisch, denn er gehört ganz klar zur ersten Gruppe Menschen. Nachdem wir gegoogelt hatten, wie man sich bei einer Bärenbegegnung zu verhalten hat (laut reden, sich groß machen, langsam nach hinten weggehen, nicht schreien, bei Angriff in Todesangst um sein Leben fürchten), hatte ich mich etwas beruhigt und wir konnten weiterwandern. Wir durchquerten ein Gebiet des Waldes, das im Sommer eine beliebte Mountainbikestrecke ist und kamen irgendwann endlich am Fuße des Skigebiets an. Um uns eine Pause zu gönnen und auf Chrissis Geburtstag anzustoßen, kehrten wir in einen Aprés-Ski-Pub ein, der glücklicherweise nicht mit so schlimmer Musik aufwartete wie die in den heimischen Skigebieten. Ein Blick in die Getränkekarte verschlug uns dann allerdings kurz die Sprache und Christopher konnte nicht glauben, dass die vierstelligen Zahlen tatsächlich die Preise für Champagner darstellten (ja, einen 6l 2002er Methusaleh hätte es für 10.000 CAD gegeben). Wir fanden zum Glück noch ein kleines Bier für 9,25 Dollar, was damit wohl das bisher teuerste Geburtstagsbier aller Zeiten ist.

Die eigentlich geplante Wanderung zum See haben wir dann nicht mehr gemacht, da es mittlerweile dämmerte und wir auch ziemlich verfroren waren und ja auch wieder zurückwandern mussten. Außerhalb von Whistler und oberhalb eines Sees mit herrlicher Aussicht fanden wir dann im dämmernden Abendlicht noch einen Platz zum Übernachten, an dem wir keine Verbotsschilder ausfindig machen konnten. Um den Geburtstags-Boy gebührend zu ehren, gab es im kuschelig warmen Bus schließlich Wein und Pizza aus dem Wok (warum ihr das unbedingt auch mal ausprobieren solltet, erfahrt ihr noch) und es hätte alles so schön sein können, hätte uns nicht mitten in der Nacht ein Schneepflug etwas Angst bereitet, weil er ziemlich nah an unserem Bus hin und herfuhr. Dass es ihm anscheinend nicht besonders gefallen hat, dass wir dort oben an einem touristischen Aussichtspunkt geparkt haben, konnten wir am nächsten Morgen deutlich sehen: wir waren von allen Seiten mit dreckigen Schnee zugeschüttet. Natürlich hatten wir keine Schaufel mit (Chrissi hat die grauen Schneemassen dann einfach mit roher Gewalt entfernt).

6 Antworten auf „Nördlich von Vancouver: Whistler & Squamish“

  1. Huhu ihr beiden! Macht voll Spaß eure Texte zu lesen. Ich kann mir die Situationen bildlich vorstellen. 🙂
    Kauft euch eine Schaufel, haltet die Ohren steif und habt nen guten Rutsch ins neue Jahr!

    Falls ihr nach Vancouver Island wollt, sagt mal bescheid.

    1. Dankeschön! Wir sind wieder Richtung Vancouver gefahren, um uns vom Schnee zu befreien 😉 Wollen morgen früh die Fähre nach Vancouver Island nehmen, trotz Regen (darauf kann man hier für die nächsten Wochen bis Monate wahrscheinlich einfach keine Rücksicht nehmen, es regnet dauerhaft & in Strömen :D).

  2. Ich will nix kommentieren – wir wünschen Euch beiden einen guten Start ins 2020er Jahr! Sophie, wir lesen Deine Texte mit Interesse und fühlen uns in den Schnee von Kanada versetzt! Alle Gute, Barbara und László

  3. Hallo Ihr Beiden….hoffentlich machen die Bären Winterschlaf ? …..wir freuen uns schon auf die Fortsetzung.
    Seid umarmt und liebe Grüße

  4. Schön, dass wir Euch so ein wenig begleiten könnte. Katrin und Sven kommen im Sommer auch nach Kanada…
    Ich hoffe die Bären halten Winterschlaf.
    Liebste Grüße und Umarmungen ?
    Mama

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