Der ein oder andere von euch weiß es wahrscheinlich schon: in Kanada ist es seit Oktober 2018 völlig legal zu kiffen – vorausgesetzt man ist mindestens 19 Jahre alt (in manchen Provinzen ist es auch schon ab 18 erlaubt). Die grünen Blüten kann man entweder in staatlich lizenzierten Abgabestellen erhalten oder man zieht sich die berauschenden Pflänzchen einfach selbst – zu Hause in der Growbox oder im eigenen Garten. Bis zu vier Pflanzen pro Haushalt sind erlaubt und man darf bis zu 30 Gramm der markant duftenden Blüten mit sich führen.
Warum wurde Cannabis in Kanada legalisiert?
Es gibt reichlich Gründe, weshalb Kanada als zweites Land weltweit (nach Uruguay in 2013!) den Anbau, Verkauf und Konsum von Cannabis legalisiert hat. Zum einen soll durch die Legalisierung der Schwarzmarkt verdrängt werden. Der Gewinn, den der Verkauf der Pflanzen abwirft, soll nicht länger in die Kassen von kriminellen Banden mit mafiösen Strukturen sondern stattdessen in die Staatskassen gespült werden. Zum anderen spart der Staat enorme Ressourcen ein, die er sonst für die Verfolgung und Überwachung der Kiffer sowie für die Vollstreckung von Strafverfahren aufwenden müsste. Die Cannabis-Legalisierung stellt für den Staatshaushalt also eine doppelte Gewinnmöglichkeit dar und die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass es funktioniert. Bereits jetzt – nicht einmal zwei Jahre nach der Legalisierung – ist der Umsatz auf dem legalen Markt höher als der auf dem Schwarzmarkt. Die dabei entstandenen Steuereinnahmen konnten beispielsweise erfolgreich für den Bau neuer Schulen eingesetzt werden. Und die Konsumenten müssen keine Angst mehr haben von der Polizei verfolgt zu werden.
Ein weiterer sehr bedeutender Grund für die Legalisierung liegt vor allem im Verbraucher- und Jugendschutz. Kinder und Jugendliche können auf einem legalen Markt besser geschützt werden, weil die offiziellen Cannabis-Fachgeschäfte sich an die Altersbeschränkung halten müssen, da ihnen sonst die Verkaufs-Lizenz entzogen würde. Außerdem wird der Verkauf an Minderjährige weiterhin strafrechtlich verfolgt. (Aktuelle Zahlen zeigen zudem, dass der Cannabiskonsum bei den Jugendlichen in Kanada auch nach der Legalisierung nicht angestiegen ist.) Auch die Verbraucher werden vor dem Konsum gefährlicher Streckmittel, Pestizide oder Düngemittel geschützt, da Anbau, Ernte und Vertrieb der Pflanzen staatlich überwacht wird. Zudem werden die Konsumenten auf einem legalen Markt viel besser über den Wirkstoffgehalt ihrer Blüten informiert, wodurch ihnen negative Erfahrungen durch zu hohe Dosierungen erspart bleiben können. Um das zu verstehen, muss man sich etwas mit den verschiedenen Wirkstoffen im Cannabis auskennen. Wen das interessiert – hier kleiner Exkurs.
Die zwei wichtigsten Wirkstoffe im Cannabis
Zu aller erst muss gesagt werden, dass es im Cannabis viele verschiedene Wirkstoffe -Cannabinoide genannt – gibt, von denen wegen der Prohibition nicht wirklich viel bekannt ist. (Ja ein Verbot erschwert eben auch die Erforschung von potentiell wertvollen medizinischen Stoffen!) Aber einiges weiß man eben doch. Die zwei wichtigsten Cannabinoide heißen CBD und THC.
Tetrahydrocannabinol – kurz THC ist der Wirkstoff, der hauptsächlich für das Rauscherlebnis verantwortlich ist. Aus diesem Grund wurden von den bereits genannten kriminellen Banden über die Jahre hinweg Pflanzen mit einem immer höheren THC-Anteil gezüchtet. So konnte man auf den illegalen Anbauflächen immer mehr THC anbauen ohne die Flächen dabei vergrößern zu müssen. Gewinnmaximierung eben. Problematisch daran ist, dass THC auch im Verdacht steht psychotische Störungen auszulösen. So kann der Konsum von hochdosiertem Cannabis auch schnell zu einem paranoiden Trip führen. Soziale Angstzustände und Depressionen sind bekannte Nebenwirkungen.
Hier kommt der zweite wichtige Wirkstoff – das CBD (Cannabidiol) – ins Spiel. Dieser fungiert nämlich als Gegenspieler zum THC. Er wirkt angstlösend, beruhigend, entspannend und im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv – also auch nicht berauschend. Bei der Züchtung ihrer High-Performance-Pflanzen haben die Kriminellen aber natürlich nicht auf ein ausgewogenes Verhältnis von CBD und THC geachtet. Ihnen ging es nur um die psychoaktive Komponente in den Pflanzen und so wurde der THC-Anteil in den Pflanzen immer höher, der CBD-Anteil immer geringer und der Konsum somit immer gefährlicher. Durch die Legalisierung wird dieser Entwicklung entgegengewirkt und die Konsumenten können mittlerweile sogar Blüten mit verschwindend geringen THC-Anteilen erhalten. Beim Konsum dieser Blüten wird eben kein Rausch ausgelöst – stattdessen ist die Wirkung eher mit der eines Entspannungstees zu vergleichen.
Beide Wirkstoffe werden übrigens bereits seit längerem recht erfolgreich in der Medizin eingesetzt. Während THC aufgrund seiner schmerzlindernden Wirkung vor allem für Schmerzpatienten verschrieben wird, kommt die angstlösende Wirkung von CBD vor allem den psychisch Erkrankten zu Gute. Ob es weitere Einsatzgebiete gibt, wird bereits in verschiedenen medizinischen Studien untersucht und auch über die Wirkung der vielen anderen Cannabinoide und ihr Zusammenspiel mit den ebenfalls im Cannabis enthaltenen Terpenen wird zur Zeit geforscht. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass sich daraus noch weitere Einsatzgebiete für Cannabis als Medizin ergeben. Auch hier steht ein Verbot von Cannabis der dafür dringend benötigte Forschung nur im Wege.
Haben wir es probiert?
Natürlich. Da wir in Elliot nicht genug Platz für eine eigene Growbox hatten, führte uns unser Weg unweigerlich in einen der beliebtesten Cannabis Stores in Vancouver. Der Laden war von außen sehr unscheinbar und auch der Name Village Bloomery verriet (zumindest auf den ersten Blick) nicht viel über die Art des Geschäftes. Nachdem wir eingetreten waren, mussten wir als erstes unsere Ausweise zeigen, da der Zutritt Minderjährigen untersagt ist. Gleichermaßen wird übrigens auch beim Verkauf von Alkohol vorgegangen, der genauso nur in speziellen Geschäften erhältlich ist (zumindest im Westen des Landes). Jeder und wirklich jeder, der jünger aussieht als 80 muss erstmal seinen Ausweis vorzeigen und erst dann darf er sich umsehen. So haben wir uns dann auch erstmal im Laden umgesehen und waren etwas verdutzt, denn von Cannabis war nichts zu sehen. Optisch glich das Geschäft eher einer kleinen Boutique für Kosmetik oder Parfüme. Alles war sehr schlicht und unscheinbar. Die Waren sind nicht sichtbar hinter verschlossenen Türen gelagert und Informationen über die angebotenen Sorten erhält man aus einer kleinen Broschüre an der Ladentheke. Dort hat uns eine junge Kanadierin über die verschiedenen Sorten und deren Wirkung informiert. Die Sorten waren nach Herkunft (Indica also indischer Hanf und Sativa also gewöhnlicher oder echter Hanf) getrennt und nach Wirkstoffgehalt (THC und CBD) sortiert aufgelistet. Da wir von der großen Auswahl etwas erschlagen waren, haben wir uns kurzerhand für je eine Sorte nach Herkunft und einen Hybriden entschieden. Die merkwürdigen Prozentangaben über die Wirkstoffanteile von CBD und THC hatten wir vorerst ignoriert. Doch nach unseren ersten Kiffsonntagen sind wir uns sicher, die Herkunft der Pflanzen spielt im Rauscherlebnis die untergeordnete Rolle – ausschlaggebend ist der Wirkstoffgehalt! Der Hybrid mit deutlich höherem CBD-Anteil löst bei uns einen viel angenehmeren Rausch aus als die anderen zwei Sorten (ok die hatten auch 0% CBD). Im Laufe unserer Reise durch Kanada ist uns das grüne Pflänzchen immer wieder mal begegnet und niemals schien jemand Probleme damit zu haben.
Auf den Highways wird mit großen Schildern für die jeweilig ortsansässigen Cannabisläden geworben und auch innerhalb der Ortschaften findet man immer wieder lustige Anspielungen auf das berauschende Grüne. Als wir während unseres ersten Workaways von unseren Nachbarn – beide längst im Ruhestand – zum Dinner eingeladen wurden, staunten wir nicht schlecht, als jeder in lockerer Runde über seine Rauscherfahrungen mit Cannabis erzählte. Zum Einschlafen und Entspannen wurde es am liebsten benutzt und nicht geraucht sondern in Form von Gummibärchen, da es sich gesünder anfühle und nicht so schmuddelig sei.
Legalisierung in Deutschland?
Trotz der 4 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland gibt es noch keine Mehrheit in der Bevölkerung, die sich deutlich für eine Legalisierung ausspricht. Nichtsdestotrotz ist die Tendenz der Zahl der Befürworter eindeutig steigend und möglicherweise wird aufgrund von guter Aufklärungsarbeit bereits 2021 eine Mehrheit erreicht. Auch politisch gesehen spricht immer mehr für die Legalisierung, denn die meisten Parteien sprechen sich stark für eine Legalisierung oder zumindest die Umsetzung von Modellprojekten aus. Lediglich die CDU/CSU stellt sich dem Ganzen noch heftig entgegen, weshalb wir im aufkommenden Cannabismarkt in Europa wohl keine Führungsrolle einnehmen werden. Schade eigentlich, denn wie wir in Kanada gesehen haben, würde eine Legalisierung viele neue Arbeitsplätze schaffen. Außerdem könnte mit einer Legalisierung endlich ein effektiver Schutz für die Verbraucher erzielt werden, da leider auch hierzulande immer wieder von mit synthetischen Cannabinoiden gestreckten Blüten berichtet wird. Solche synthetischen Cannabinoide können bei Überdosierung teilweise tödlich enden! (link)
Immerhin wurde aber im Jahr 2017 das „Cannabis als Medizin“ Gesetz beschlossen, welches es Patienten ermöglicht Cannabis von ihren Ärzten auf Rezept zu erhalten und die Kosten dafür von der Krankenkasse übernehmen zu lassen.
Wenn du auch möchtest, dass Deutschland sich Kanada zum Vorbild nimmt und eine Legalisierung voranbringt, dann unterstütze doch die Arbeit des Deutschen Hanfverbandes – dieser leistet hervorragende Aufklärungsarbeit und hat beispielsweise im Jahr 2017 die erfolgreichste Petition im Bundestag abgegeben, sodass der Petitionsausschuss über die Argumente für eine Legalisierung debattieren musste. Dadurch wurde die Wichtigkeit des Themas weiter in die Öffentlichkeit gerückt.
Hier geht’s zum Hanfverband: hanfverband.de
Mehr Infos und Fakten über Cannabis erfahrt ihr auf: cannabisfakten.de
Du willst weniger oder ganz aufhören zu kiffen? quit-the-shit.net