Die Menschen, die mich kennen, wissen es wahrscheinlich bereits: Ich bin nicht unbedingt für mein starkes Nervenkostüm bekannt. In stressigen Situationen bewahre ich keinen kühlen Kopf, meine Stimmung schlägt schnell mal in Weltuntergang um und ich selbst würde mich ohne Frage als Pessimistin bezeichnen. Das durfte ich kürzlich endlich mal wieder beweisen: Beim aller furchtbarsten (und einzigen) Autokauf meines Lebens.
Warum wollen wir einen Van?
Aber von vorn. Wir waren uns bereits in Deutschland schnell einig, dass wir uns in Kanada ein Auto kaufen würden. Zu groß sind die Distanzen, um sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden, zu stark der Wunsch nach Unabhängigkeit und zu gering unser Budget, jeden Monat knapp 1.000 Euro für Airbnb-Unterkünfte zu bezahlen – von Hostels ganz zu schweigen, diese kosten in Kanada nämlich schnell das Doppelte von dem, was man zu zweit für Airbnb zahlt (und das in einem 10-Mann-Schlafsaal). Also ein Auto. Der Gebrauchtwagenmarkt in Kanada ist riesig und es stellt sich nur die Frage, was einem vorschwebt. Auch hier hatte ich schnell einen festen Standpunkt: Ein Campervan soll es sein, groß genug, um nicht nur gemütlich darin zu schlafen, sondern bei schlechtem bzw. kaltem Wetter auch zu kochen und zu arbeiten. Wir waren im Sommer mit unseren Freunden eine Woche in Norwegen unterwegs und hatten in dieser Zeit in unserem alten Auto Olaf übernachtet. Das ging, weil es ein Opel Zafira mit 7 Sitzen war und es genügend Platz gab, um auf eine Holzkonstruktion eine 1,40 m-Matratze draufzuschmeißen und ganz gemütlich zu schlafen. Sitzen konnte man jedoch nicht, und kochen ging ebenfalls nur unter freien Himmel (im Sommer schön, in den regnerischen Vancouver-Wintern jedoch eher so semi). Daher wollte ich keinen PKW-7-Sitzer, auch wenn die in Kanada als Camper ziemlich beliebt und zugegebenermaßen auch ein Stück größer sind als vergleichbare Autos in Deutschland.
Was für ein Van soll es werden?
Wer in Kanada einen fahrbaren Untersatz sucht, muss sich also nur entscheiden, welches Modell er haben möchte und wie alt es maximal sein soll. Craigslist vereint hier eBay-Kleinanzeigen, Wohnungsportale und Jobplattformen und man findet eigentlich alles und jeden – sowohl Privat- als auch gewerbliche Verkäufer. Zusätzlich war ich in mehreren Backpacker- und Work-and-Travel-Gruppen auf Facebook angemeldet, auf denen ebenfalls immer wieder Campervans in ganz Kanada verkauft wurden, häufig auch mit der kompletten Ausstattung von A wie Antenne bis Z wie Zitronenpresse. Da wir zur Zeit in Vancouver sind, wollten wir am liebsten auch direkt hier den Van kaufen. Im Notfall wäre auch der Rest von British Columbia gegangen, allerdings sind die Entfernungen wie bereits erwähnt häufig kein Pappenstiel und man fährt schnell mal 5, 6 Stunden bis zum nächsten Ort mit den öffentlichen Greyhound-Überlandbussen. Während der ersten zwei Wochen hatten wir ja ein Airbnb in einem Vorort, das heißt es war genug Zeit und Ruhe da, um stundenlang nach potenziellen Bussen zu recherchieren, Preise zu vergleichen und zu überlegen, welche Modelle überhaupt in Frage kämen. In unserer Vorstellung waren vor allem die folgenden: Dodge Ram B250 Campervan und Ford Econoline E-250 Campervan. Klar wäre es auch ziemlich schön, einen alten VW-Bus zu kaufen wie unsere Freunde Lotte und Meint mit Karlsson (deren Europareise könnt ihr übrigens hier verfolgen: lifeontheroad) – hat der allerdings Probleme, und muss mal in die Werkstatt, ist es deutlich schwieriger (und damit natürlich auch teurer) für einen alten deutschen Bus Ersatzteile zu finden, als für einen alten amerikanischen. Also ein Modell von hier, mit denen sich die Jungs und Mädels in der Werkstatt auch auskennen. Ich selbst habe von Autos übrigens überhaupt keinen Dunst (daher hätte ich wahrscheinlich auch `nen alten T3 gekauft).
Nach ein paar Tagen Recherche hatte Chrissi ein paar Vans gefunden, die vielversprechend aussahen. Von denen meldeten sich zwei Privatpersonen zurück und so schauten wir uns als erstes Bessie Blue an, einen Dodge Ram 250, Baujahr 1983. An diesem Tag tauchten wir zum ersten Mal richtig in die kanadische Freundlichkeit ein: Emily, Bessies Besitzerin war super herzlich und hat sich viel Zeit genommen, uns alles zu zeigen und eine Testfahrt zu machen. Doch Bessies 36 Jahre sah man ihr auch an: Heizung und Klimaanlagen defekt, die Windschutzscheibe durchzog ein fetter Riss und die Reifen hätten wir ebenfalls tauschen müssen – und das waren vorerst nur die offensichtlichen Dinge, genaueres hätte ein CheckUp beim Mechaniker zeigen müssen. Daher entschieden wir uns nach einigen Tagen gegen Bessie, auch wenn ich mein Herz schon ein bisschen an sie verloren hatte. Wir hatten allerdings noch einen Bus in der „Hinterhand“, den wir uns ein paar Tage später auf einem Mall Parkplatz ansahen. Brit und Joe, die Besitzer und deren Hündin Shadow waren vor Kurzem in ihr Tiny House gezogen und wollten ihren alten Van daher verkaufen. Das gleiche Modell wie Bessie, ein Dodge Ram B250 Campervan, Baujahr 1989. Blaugrau, Automatik, Innenausstattung mit Spüle, Kühlschrank, Heizung, Schränken und Bett (so viel zu den Sachen, die mir wichtig sind, ich sagte es ja bereits: ich habe keinen Dunst von Autos). Nach einer kurzen Probefahrt waren wir uns beinahe sicher – wir wollten ihn. Chrissi hatte mehr Bedenken und ein mulmiges Bauchgefühl (ob sich dieses noch bewahrheiten soll, werdet ihr noch erfahren). Nachdem wir bei einem Kaffee alle Bedenken, Vor- und Nachteile besprochen hatten, trafen wir uns mit nach einer Stunde wieder mit Brit und Joe, um ihnen unsere Entscheidung mitzuteilen: wir kaufen den Bus. Das Zünglein an der Waage: Der Preis. Die beiden wollten 8.200 CAD haben, was umgerechnet 5.600 Euro sind. Zu viel für uns, denn mit dem Kauf ist es ja nicht getan. Da fehlt eine Versicherung – die in British Columbia verstaatlicht ist und daher nicht dem Preisdumping und Wettbewerb des freien Marktes unterliegt, was wiederum dazu führt, dass sie nicht gerade billig ist – und Steuern mussten wir auch noch zahlen. Wir hatten vor, die beiden auf 7.500 CAD, also 5150 Euro herunterzuhandeln. Geeinigt haben wir uns schlussendlich bei 7.800. Wir hatten auch nicht wirklich viele Argumente, denn auf den ersten Blick sah alles sehr gepflegt und gut im Schuss aus. Außerdem erschien uns der Preis als sehr fair – verglichen mit dem was wir im Internet bisher recherchiert hatten.
Was war denn jetzt so schlimm an dem Autokauf?
Ja, das fragt ihr euch. Und ich werde euch die Frage beantworten: Die anschließende „Bezahlung“ des Vans. Wir hatten nämlich vercheckt, dass bei unserer Bank pro Tag nur 1.000 Euro am Automaten abgehoben werden konnten. Zusätzlich hatte ich einige Tage zuvor (mal wieder) meine Meisterleistung vollbracht, mein Online-Banking durch dreimaliges Falscheingeben des Passwortes zu sperren, sodass ich diese 1.000 Euro nicht mal abheben konnte, da ich kein Geld von Debit- auf Kreditkarte überweisen konnte. Bravo. Wir hatten also zum Zeitpunkt der Bezahlung gerade einmal 2.300 CAD in Bar zusammengekratzt. Und die Differenz? Naja, man könnte meinen, kein Problem, mach einfach ‚ne Überweisung und zeig dem Käufer den Beleg oder nutze Paypal, dann hat er das Geld gleich auf seinem Paypal-Konto. Ja, liebe Leute, das ist eine schöne Idee, wenn ihr euren Campervan in Deutschland von einem deutschen Händler kauft. Bei internationalen Überweisungen ist das eine ganze Ecke schwieriger, denn die kosten einfach enorme Gebühren. Kreditinstitute behalten bis zu 10 Prozent des zu überweisenden Betrags als Gebühren ein. Zudem ist der Wechselkurs in die ausländische Währung unterirdisch. Bei einem Betrag von mehreren Tausend Euro hätten wir also mit Paypal & internationaler Überweisung enorme Verluste gemacht – zumal letztere einige Zeit braucht, bis die eigene Hausbank das Geld auf das ausländische Konto transferiert hat. Das war wiederum den Verkäufern nicht ganz lieb, was man ja auch verstehen kann, schließlich kannten die beiden uns gerade einmal 2 Stunden. Also musste eine andere Lösung her: Xoom, ein Service von Paypal für eben solche internationale Geldtransfers. Wir saßen also im Bus, draußen regnete es, und wir versuchten, uns dort anzumelden und das Geld auf Joes Konto zu versenden. Doch es klappte nicht. Da wir uns den Grund für die wiederholten Fehlermeldungen nicht erklären konnten, riefen wir schließlich den Kundenservice von Xoom an. Dort meldete sich ein Inder, dessen Englisch wir bei aller Mühe einfach nicht verstehen konnten, selbst die beiden Kanadier hatten ihre Probleme, konnten aber zumindest ein bisschen als Übersetzer fungieren. So stellte sich heraus, dass der maximale Überweisungsbetrag pro Tag ebenfalls nur 1.000 Euro betrug. Nebenbei konnte ich übrigens überhaupt nichts überweisen, denn ich war zuvor so naiv gewesen, zu glauben, ich könnte mit einem gesperrten Online-Banking-Account irgendetwas machen. Haha, fail – Weltuntergangsstimmung incoming!
Die einzige Möglichkeit, die maximale Überweisungssumme zu erhöhen, war eine Verifizierung mit ID und irgendwelchen Dokumenten, was aus anderen Gründen auch nicht geklappt hat. Wir standen also da, wollten unbedingt diesen Bus kaufen für knapp 5.350 Euro – hatten aber umgerechnet nur 1580 in bar. Beste Voraussetzungen also und Grund genug für mich, auf dem kalten Boden in der Ecke des Busses langsam weinerlich zu werden (rückblickend betrachtet kann ich über diese ganze Geschichte natürlich lachen, aber da stand ich gefühlt wirklich kurz vor ’nem Nervenzusammenbruch). Nach mehreren Telefonaten und Warteschleifen von Xoom hatten wir endlich einen Teil des Geldes überwiesen. Den Restbetrag – wir saßen zu diesem Zeitpunkt übrigens bereits circa 3 Stunden in diesem Bus – haben wir dann mittels TransferWise überwiesen, eine Plattform, die ihr Geld durch die aktuellen Wechselkurse verdient, weshalb die Transfergebühren überschaubar und fair sind. Zwar gab es auch hier einen Maximalbetrag, aber dieser galt (Gott sei Dank!) nur für die einzelnen Überweisungen, sodass wir den Betrag einfach in mehrere Überweisungen aufsplitten konnten. Ich habe während dieser letzten Überweisungen jedes Mal auf die Fehlermeldung gewartet, dass das Konto nicht weiter überzogen werden kann – denn alles Geld musste ja dank meines gesperrten Bank-Accounts von Chrissis Konto abgehen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es war zwar mittlerweile dunkel (wir trafen uns übrigens bereits 11 Uhr zur Bus-Besichtigung), aber wir hatten es geschafft. Der Bus hatte seine Besitzer gewechselt.