Düsterwald-Nebel zu Weihnachten

Wir hatten uns vor Fahrtbeginn gut überlegt wann wir losfahren müssten, um noch vor Einbruch der Dunkelheit in Kelowna anzukommen, da wir unsere Scheinwerfer nicht ohne Grund als „Funzel“ bezeichnen. Natürlich hatten wir die Aktion mit dem Wischwasser nicht mit einkalkuliert und so mussten wir am Ende noch gut eine Stunde im Dunkeln durch die verschneiten, kurvigen Gebirgsstraßen der Columbia Mountains fahren. Knapp 70 Kilometer vor unserem Ziel warnte uns ein großes Schild mit Aufschrift „Dense fog – 60 km ahead“ vor schlechter Sicht auf dem kommenden Abschnitt. Wie dicht der Nebel aber tatsächlich werden sollte, haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt. Es ging von nun an fast nur noch bergab, weshalb ich dank Automatikgetriebe eigentlich permanent auf der Bremse stand. Auch die noch kurze Zeit vorher an uns vorbeigerauschten Trucks wurden nun verdächtig langsam und die roten Lichter ihrer Bremsleuchten verteilten sich im immer dichter werdenden Nebel diffus in allen Richtungen und schränkten so die ohnehin schon schlechte Sicht noch weiter ein. Dies verleitete mich schließlich dazu die mittlerweile zusammengeraufte Gruppe von sechs Fahrzeugen einfach zu überholen. Schnell musste ich dafür nicht fahren – alle hatten ihre Geschwindigkeit bereits auf etwas mehr als Schritttempo reduziert. An der Spitze der Kolonne angekommen, konnte ich dann auch verstehen warum. Man erblickte vorn nämlich nur ein riesiges schwarzes Loch – der Nebel schien jedes Licht komplett zu schlucken, da brauchten wir es mit unserer Funzel gar nicht erst versuchen. Ich blieb dann also auf dem Highway fast stehen, um der Kolonne zu signalisieren „Leute, ich fahr hier ganz sicher nicht vor“ und wurde dann schließlich auch von einem mutigen Fahrer mit etwas moderneren Leuchten überholt. Sophie hatte sich vor Nervosität mittlerweile schon alle Nägel abgekaut und hatte uns sicher auch schon als Bärenfutter am Straßenrand liegen sehen. Doch soweit ist es zum Glück nicht gekommen. Der mutige Fahrer geleitete uns sicher aus dem lichtschluckenden Düsterwaldnebel heraus und wir kamen letzten Endes doch noch sicher in Kelowna an.

Der nächste Tag – ein froher Weihnachtsmorgen. Nach der etwas nervenaufreibenden Fahrt am Tag zuvor wollten wir es jetzt etwas ruhiger angehen lassen und hatten uns vorgenommen einen Teil des Kettel Valley Rail Trails zu bewandern – quasi als etwas ausgedehnteren Weihnachtsspaziergang. Der berühmte Trail verläuft auf einer alten Bahntrasse, die gebaut wurde, um Silbererz aus den Kootenays Mountains bis nach Vancouver zu transportieren. Wir hatten uns für den als spektakulärsten beschriebenen Abschnitt entschieden, welcher durch den Myra Canyon führt und mit einem fantastischen Blick auf die kurvenreiche Schlucht auftrumpfen soll. Aber auch diesmal hatte uns ein dichter Nebel den angekündigten Panoramablick auf die Schlucht verwehrt. Wir ließen uns davon aber nicht die gute Stimmung versauen, denn irgendwie sorgte der Nebel im Zusammenspiel mit dem weichen Schnee auch für ein sehr heimeliches Weihnachtsgefühl. Die Stille, die uns dort oben umgab, war faszinierend und wirkte fast ein wenig beklemmend. Weit und breit gab es weder Straßen noch Siedlungen und auch die hiesigen Tiere hielten ihren Winterschlaf. Nur ein paar Hasenspuren konnten wir im Schnee ausmachen. Insgesamt waren wir circa fünf Stunden auf dem Trail unterwegs. Länger hätten wir auch nicht bleiben können, denn diesmal wollten wir wirklich vor Einbruch der Dunkelheit wieder in Kelowna sein. In diesen fünf Stunden hatte es die Sonne nur einmal kurz geschafft die dichte Nebeldecke aufzureißen und uns so einen kleinen Blick ins Tal zu gönnen. Die ersten Sonnenstrahlen nach so langer Zeit fühlten sich an wie unser ganz persönliches Weihnachtswunder. Der Blick ins Tal war jedoch etwas ernüchternd, da wir nicht wie erwartet einen zauberhaft dichten Nadelwald vorfanden, sondern stattdessen eine ziemlich karge Landschaft mit vielen toten Bäumen. Die Gegend hier hat bereits schwer mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. In den vergangenen Sommern kam es nämlich wegen anhaltender Dürren immer wieder zu heftigen Waldbränden, die nicht mehr unter Kontrolle zu bringen waren. Es wird Jahrzehnte brauchen bis die Natur sich davon wieder erholt – vorausgesetzt in den kommenden Sommern fällt mehr Regen als zuletzt. Uns stimmte das Ganze sehr nachdenklich und wir beschlossen vorerst nach Kelowna zurückzukehren.

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